Eve Herzogenrath (Jg. 1939) stammt aus dem idyllischen Kölner Westen gleich am Stadtwald – noch idyllischer als der im Roman geschilderte Kölner Süden. Als sie Ende der 1950er-Jahre Krankenschwester lernte, war es noch nicht üblich, dass Mädchen überhaupt einen Beruf lernen – und ihr Vater hat es ihr genauso gesagt. Sie lernte in einem von Nonnen betriebenen kirchlichen Krankenhaus – und verliebte sich in die junge Ausbilderin, eine Nonne. Sie schloss 1962 als Diplom-Krankenschwester ab. Durch zahlreiche Fortbildungen stieg Eve zur Pflegedienst- und Seminarleiterin und Gutachterin für die Heimaufsicht Köln auf und erlangte auf dem zweiten Bildungsweg ihr Fachabitur, doch versagte der Vater seine Unterstützung für ein Studium. Sie lernte dann noch Kommunikationsassistentin mit einer Zusatzqualifikation in Blindenschrift. Wie sehr unverheiratete junge Frauen, gar Lesben damals ausgegrenzt wurden, ist heute nur noch für die Älteren vorstellbar. Und so war denn auch die frühe lesbische Kultur nicht öffentlich, sondern häuslich, denn nur im geschützten Privatumfeld war Offenheit möglich. Geordnete Lebensumstände waren wichtig, Exzesse undenkbar, wären auch gar nicht erwünscht gewesen. Erst in den späten 1970er-Jahren bildete sich in Köln eine halb-öffentliche lesbische Szene mit eigenen Nachtlokalen und Tanzveranstaltungen, damals eine reine Frauenszene. War sie auch mit der wenig älteren schwulen Szene befreundet, galt Homosexualität oder jede querstehende sexuelle Identität noch nicht als solche als kulturstiftendes Element.

Eve Herzogenrath
Wer sich noch erinnert, trauert der alten eigenständigen Lesbenszene hinterher. Heute ist ein unaufgeregtes, kleinbürgerliches Lebensideal, sind insbesondere auch Frauen über 60 in der Szene nicht mehr präsent. Es ist eine politische Szene geworden, eine Protestszene, kein weiblicher Lebensraum mehr. Erinnern wir uns dennoch mit Eve Herzogenrath an die unauffällige Alltagswelt in den 1980er-/1990er- Jahren. (Eve war Zeit ihres Lebens im Gesundheits- und Berufsbildungswesen, und man merkt es ihrem Romanschaffen an. Die lesbische Literatur wird heute von hartem Sex beherrscht. Leben junge Lesben wirklich so? Eve glaubt es nicht; die älteren jedenfalls nicht. Sie bedauert diese literarische Engführung, zumal das Publikum, wie sie es bei ihren Lesungen erfährt, nicht diesem Trend unterliegt. So verfolgt sie ihren eigenen Weg, ihre eigene Vorstellung vom guten Leben weiter.
Nicht nur aufgrund dieses Eigensinns gehört sie zum Verlag Angelika Gontadse.