Literatur ist Beschreibung der Wirklichkeit

Literatur ist Beschreibung der Wirklichkeit und Aufschreiben dieser Schilderung und der Schlussfolgerungen daraus. So gesehen, unterscheiden sich die klassischen Literaturgattungen – Belletristik, Autobiografie, Forschung – weniger, als gemeinhin angenommen wird, gerade auch in unserem multimedialen Zeitalter, in dem alle Gattungsgrenzen mehr und mehr verfließen.

Gerade die Literatur verschmilzt nicht mit der Bilder- und Töneflut und geht darin unter, sondern sie behauptet ganz im Gegenteil ihre Eigenständigkeit als ausführliches und in sich geschlossenes Nachdenken über unser Leben. So schafft sie erst einen Sinnzusammenhang für unsere seelische Stabilität.

Auch dies gilt gleichermaßen für alle gängigen Literaturgattungen. Ein Gedicht ist ein Erkenntnisinstrument, und ein Forschungsaufsatz muss verständlich und angenehm geschrieben sein. Beide dienen einem höheren Zweck, nicht allein der Unterhaltung oder den beruflichen Fähigkeiten.

Der Roman ist seiner Natur nach multimedial

Gerade ein Roman wird heute mindestens die Medienrealität, soziale und physische Mobilität und unsere verstreuten Lebensschauplätze schildern, am besten aber auch andere Medienformate oder Aufschreibesysteme integrieren (Liedtexte, Illustrationen, Hintergrundinformationen, Ausrisse, QR-Code). Zum großen Roman wird dieses Gemenge durch das Auffinden eines roten Fadens oder eines Entwicklungsgesetzes in den Plüschgewittern unseres vermeintlich so harmlosen und ereignisarmen Lebens.

Ebenso ist eine wissenschaftliche Darstellung zumindest in den Sozialwissenschaften i. w. S. heute ohne didaktische Aufbereitung und ohne Einbeziehung des Berufsalltags und des juristisch-politischen Umfelds sinnlos geworden. Es genügt nicht, die Wahrheit zu erforschen, sie muss auch verständlich dargestellt, ihre Anwendbarkeit geprüft werden.

Anspruchsvolle Literatur erwünscht

Dies ist das gewissermaßen handwerkliche (nicht inhaltliche) Literaturverständnis des Verlags. Veröffentlicht werden ausschließlich Titel, die diesen Gestaltungsmerkmalen genügen. Doch was Literatur ist, bestimmt sich nicht nur anhand einiger Merkmale der Textgestaltung, Stoffaufbereitung und Sachdurchdringung. Literatur muss notwendig eine gewisse Tendenz aufweisen, einen bestimmten Anspruch. Sie muss aber nicht unbedingt der Befreiung dienen, so schön das auch als Forderung wäre. Zunächst einmal muss sie wahrhaftig und von einen gewissen Ernst erfüllt sein.

Aufklärung? Auch Gegenaufklärung, Konservatismus, Gegenreformation haben ernstzunehmende Literatur hervorgebracht, Wahrheiten verteidigt, die die stürmischen Liberalen nicht mehr wahrhaben wollten, die Majestät einer übergeordneten, gewissermaßen geweihten Ordnung aufrechterhalten. Ich würde so etwas heute herausbringen, aber nicht die heutigen vermeintlich konservativen Breimäuler.

Literatur muss es vor allem ernst meinen, die aufgeworfenen und behandelten Fragen für wichtig halten und sie mit dem vollen eigenen Erkenntnisvermögen, Fähigkeiten der Textgestaltung, Wissens- oder Erlebnisübermittlung bearbeiten, auf der Wahrheit beharren, Lügen und Aberglauben verscheuchen, ein menschengemäßes gedeihliches Leben und Zusammenleben anstreben.

Schemaliteratur und Unterhaltungsliteratur

Anders ist es keine Literatur. Schemaliteratur und Unterhaltungsliteratur sind also nur ausnahmesweise Literatur, in der Regel aber nicht; dies nicht, weil sie ‹schlecht geschrieben› oder nicht durchdacht wären, sondern weil die Autorinnen und Autoren selbst das Thema inhaltlich nicht für wichtig halten, der Leserin nur ‹die Zeit vertreiben›, also Zeit totschlagen wollen.

Und doch wollen manche unbekannten Autorinnen mehr, versickern aber heute ohne inhaltliche Unterstützung im Selbstverlag. Diese wertvollen Keime gilt es zu retten und zu hegen. Es gibt auch in den entlegensten Ecken der Trivialliteratur einzelne gute Romane, und es lohnt sich, sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Hingegen kann ein sprachlich minderwertiges Manuskript oder eine dürre Ideenskizze das Zeug zur Literatur haben, wenn ein ernsthafter Geist, ein leidenschaftliches Wissen- oder Erzählenwollen zu erkennen ist. Deswegen ist das Lektorat so wichtig, also die inhaltliche Beteiligung des Verlags als mehr als nur eine Vertriebsplattform.

Der Schritt zur Literatur ist in solchen Fällen nur noch eine solide sprachlich-handwerkliche Ausarbeitung. Das ist die ureigenste Aufgabe eines Verlags, auch wenn der Weg manchmal weit sein mag. Hingegen lässt sich der fehlende Gedanke auch durch eine blendende sprachliche Form nicht ersetzen.

Literatur (und Kunst) als fleischgewordener Zeitgeist

Wo ein ernster, für eine bisher unbekannte Wahrheit entflammter Geist weht, ist das Genie der Literatur und ihrer wahren Urheber:innen und Gestalter:innen spürbar. Es lässt sich nicht beschreiben, denn es ändert sich ständig, vielleicht von einem Tag auf den anderen, ist aber gerade jetzt immer spürbar (und morgen vielleicht schon nicht mehr).

Deswegen schlägt eine Autorin oder ein Werk ein oder geht unter, und deswegen entdeckt ein Verlag das Potential, das noch nicht in Augenschein tritt. Die Literatur spiegelt der geneigten Leserin den Zeitgeist, vertritt sie dort aber auch, denn sie taucht ja selbst schon lange nicht mehr im prallen Leben, möchte aber wenigstens darüber lesen.

Verlage können sich nicht auf ‹große› Literatur, Bestseller oder Standardwerke konzentrieren; ein Verlag, der sich selbst ernstnimmt, konzentriert sich auf die ‹Rückseite› der polierten, aber blutleeren Kultur, denn nur dort entsteht das Neue, das schon längst nicht mehr neu ist, wenn es im Druck erscheint oder gar zur Berühmtheit gelangt.

So gesehen, ist die aktuell gerade bewegende Literatur immer auch ‹flüchtige Literatur›. Wer will sie erhaschen? Das ist die Aufgabe des Verlags. Literarische Verlage konzentrieren sich auf das, was kommt; zu veröffentlichen, was bleibt, ist Aufgabe eines amtlichen Archivs. Solche Verlage bringen keine interessanten Neuigkeiten mehr.

Satte, langweilige Epochen

Gibt es derzeit überhaupt interessante literarische Neuigkeiten? In einer satten, friedlichen Epoche vermeidet die allgemein anerkannte und verbreitete Kultur die ernsthafte Auseinandersetzung mit welchem Thema auch immer, denn dies könnte Unruhe ins Publikum bringen, würde jedenfalls den Verkaufserfolg schmälern.

Literatur, die Herz oder Geist berührt, liegt notwendig außerhalb dieser schiffbaren Hauptströmung. Sie ist deswegen keineswegs randständig oder gegen die herrschenden Verhältnisse eingestimmt, verbreitet nicht andere als die allgemein verbreiteten Werte (darf es aber), bildet Inseln oder Stromschnellen, Untiefen gleich neben der Fahrrinne oder die Grundströmung im Flussbett.

Halten wir die Literatur nicht für umstürzlerisch. Das ist sie nicht. (Die Romane des Umsturzes sind meist langweilig.) Sie verbreitert oder vertieft die Fahrrinne, vermisst die Möglichkeiten. Aber das tut sie eben auch in einer vermeintlich satten und friedlichen Epoche, denn solche Epochen dauern nicht lange.

Grundsätze der Darstellung

In der anspruchsvollen Literatur heute wird die Darstellung von schonungsloser Klarheit und Offenheit sein, ob sie nun realistisch, surrealistisch, sousrealistisch oder irreal ist, ob detailverliebt oder in der Draufsicht. Solche einstigen Gattungsgrenzen sind heute nur noch Stilmittel.

Wir sind unsicher, in welcher sozialen, physischen, medialen Welt wir leben und müssen sie grell beleuchten; Realität, unser Leben sind unklar geworden. Blicken wir genau auf das, was sich uns darbietet, können wir auch nicht zwischen Anschein, Schein und Sein unterscheiden, neigen sogar Pragmatiker oder die Psychologie, nüchterne Berufstätige, einem radikalen Konstruktivismus zu und wenden sich vom Materialismus ab.

Geeignete Themen heute

Vielleicht sind typische Themen für eine Literaturepoche wichtiger als typische Stile. Das Thema anspruchsvoller Literatur heute ist das alltägliche Leben und Überleben; große historische oder mythologische Linien sind lächerlich geworden – sogar bei denen, die sie zur Erläuterung ihrer unwandelbaren Weltsicht schätzen.

Nun, wir leben in unsicheren Zeiten, gehen gewissermaßen in jeder Sekunde ohne Grund drauf. Der Alltag ist nicht harmlos, sondern bedrohlich, ermüdend langweilig oder aufreibend, doch das eigene Handeln gewinnt keine gesellschaftliche Bedeutung, fügt sich in keinen Sinnhorizont ein. Wir werden aus der Bahn geworfen, sind Getriebene oder liegen zappelnd am Boden, auch die vermeintlich Glücklichen, auch im gut geschmierten Berufs- oder Familienalltag, auch für Gestalter und Entscheider.

Auch ein geglücktes, erfolgreiches Leben lässt sich nicht mehr bruchlos schildern, ist wie durch eine Watteschicht vom eigenen Handeln, Erfolgen oder Misserfolgen getrennt, als wäre das Leben ein Videospiel. Auch die Erfolgreichen fühlen das Alltagsleben nicht und würden sich sogar wundern, was ihnen alles gelingt. Wir fühlen heute mehr und mehr allesamt nichts mehr – ob es nun kulturell fortgeschrittene Schichten sind oder die immer breiteren bildungsfernen Kreise. Das bedeutet aber auch: Auch wer keinen Grund zur Unzufriedenheit mit seinem Leben hat, ist heute unzufrieden, denn unser Leben gehört uns nicht mehr.

Es ist uns nicht etwa weggenommen worden; es hat sich einfach verflüchtigt – eine Wolke, die von einem anonymen, eher bleichen als stählernen Apparat aufgesogen worden ist. Es kommt uns so vor, als werde uns unsere Lebensenergie entzogen, nur verstehen wir nicht, wie es vor sich geht.

Geeignete Themen morgen und übermorgen

Das ist das Thema der anspruchsvollen Literatur in den nächsten 15 Jahren: Wie können wir dieses halbgefrorene, wachsgleiche halbstarre Leben in der Metropole in Worte fassen, ohne diejenigen zu verraten, denen es zunächst um ihre wirtschaftliche und politische Befreiung gehen muss, ob in der Metropole oder an der Peripherie?

Eine junge bürgerliche Literatur dient nicht als solche der menschlichen Befreiung, bleibt aber dafür anschlussfähig. Wenn sich das unzufriedene wohlgenährte junge Bildungsbürgertum in der Metropole eine eigene, etwas weinerliche Literatur erlauben darf, dann nur insofern sie auch solchen kulturelle Deutungsmuster an die Hand gibt, die erst ihr Leben gegen ihre Peiniger gewinnen müssen.

Zur Bestimmung dieses humanistischen Bündnisses müssen wir uns auf unser literarisches Gespür verlassen, eine feinstoffliche Abart unseres intellektuellen oder politischen Gespürs.

Dies ist nicht nur ein ambitioniertes Verlagsprogramm, sondern ein Forschungsprogramm. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und politischen Überzeugungen sind zuschanden geworden. Die Normalwissenschaft verfolgt nicht die Wahrheit, die Politik nicht ein gedeihliches Zusammenleben aller gemeinsam Siedelnden.

Nur die Literatur behält einen utopischen Überschuss und ist in der Lage, darzustellen und zu verstehen, wie wir wirklich leben, und daraus ein Stimmungsbild abzuleiten, wie wir leben möchten oder doch nicht mehr länger leben möchten.

Die geistige Potenz der Literatur

Ohne Literatur können wir die Welt nicht verstehen und unserem eigenen Leben nicht die richtige Richtung geben. Sie formuliert das Selbstverständnis einer Geistesepoche und führt darüber Nachsinnende zusammen. Über Politik, Wirtschaft oder Pädagogik könnten sie sich niemals einigen. Die Literatur aber muss nicht erst den Beweis antreten.

Das ist der Entscheidungsgrundsatz des Verlags Angelika Gontadse. Wir bringen nur Bücher heraus, die uns berührt haben, veranlassen nur Bücher, die unsere Lebensumstände klarer oder besser machen – Trittsteine der Hoffnung. Oh ja, wir veranlassen Bücher! Wir pflanzen unser Feldzeichen im Talentfeld auf und beschreiben die Bücher, die uns gefallen würden und die sich bisher noch keiner getraut hat. Schlechter Stil, Lügen, Täuschungsversuche oder Belanglosigkeit sind ausgeschlossen, werden in der Ausarbeitung oder im Lektorat getilgt.

Hach, diese jungen Talente, wie süß, seufzt die satte, abgeklärte Leserin hier vermutlich! Die glauben noch an etwas! Nur bietet Literatur der Leserin nicht einfach Aufschlüsse über eine ihr fremde Welt, Scheinneuigkeiten für Leute, die schon alles wissen, sich aber für nichts interessieren. Nein, Literatur spricht nur zu denen, die hören wollen, zu anderen nicht.

Wenn Literatur geistige Nahrung ist, erklärt sie der Leserin im Moment des Erscheinens genau das, was die Lehrerin am meisten bewegt und was sie genau in diesem Moment wissen muss und selbst bereits fühlt. Das zu erkennen, ist der ‹mediale›, ‹feinstoffliche› Aspekt der literarischen Intelligenz der Verlegerin – Erfassen des Zeitgeists oder ‹Einfädeln in die Linie›.

Überschätzt sie sich da nicht? Vielleicht. Die geneigte Leserin wird es entscheiden. Und sie kennt die Linie gut genug, redet aber nicht darüber. Deswegen sind wir geistige Schwestern, die Verlegerin und die geneigte Leserin.

Die flaumige Innenseite des Zeitgeists

Dabei ist Zeitgeist nicht einmal das richtige Wort. Wenn eine unbestimmte Wahrnehmung der Wirklichkeit erst Zeitgeist geworden ist, ist sie schon nicht mehr interessant, erklärt sie uns nur noch das Gestern von heute, aber nicht das Heute von morgen.

Es ist etwa derselbe Unterschied, als würde ich anhand meiner Kinder (mit 20 Jahren Altersunterschied) erklären: »Oh ja, dieses und jenes hat meine älteste Tochter damals bewegt, bevor sie Personalleiterin geworden ist.« Nun kommt sie da nicht mehr raus, obwohl dieses Thema heute uninteressant geworden ist. »Aber meine jüngste Tochter macht gerade Abitur und verachtet ihre kolonialisierte Schwester.« Sie kann sich nicht einmal vorstellen, dass ihre ältere Schwester auch einmal so etwas wie gesellschaftliches Verantwortungbewusstsein verspürt und ihr Leben danach ausgerichtet hat.

Der Verlag Angelika Gontadse sieht die Unterströmung, die die geneigte Leserin heimlich, noch halb ahnungsvoll bewegt und von der echte Zeitgeistprodukte eher ablenken. Kann ich die richtigen, nicht die auf der Hand liegenden Antworten auf die Fragen tief in der Innenseite unserer Zeit aufspüren? Ich nehme es mir vor. Mit den verbreiteten Auffassungen möchte mich gar nicht erst auseinandersetzen.

Das bedeutet auch: Empörung ist keine Literatur, schon gar nicht Anknüpfen an den verbreiteten Aberglauben. Was uns bewegt, spielt sich in einer Grenzschicht zwischen der äußeren, ‹weltlichen› und der inneren, ‹seelischen› Realität ab, und wir haben keine literarische Sprache dafür. Finden wir sie! Erfinden wie sie!

Leben und Überleben in der Selbstverleugnung

Lediglich die innere Verheerung des Menschen im Sinne einer Aufrechterhaltung der Verhältnisse als Teufelsmal unserer Zeit zu betrachten, nachzuweisen und anzuprangern, wohlfeile Auswege aufzuzeigen – die gerade die Unterworfenen nicht nutzen können –, wäre Selbsttäuschung und Täuschung der Gezeichneten.

Wir müssen untersuchen, wie wir in dieser Gesellschaft leben, was wir davon haben und was sie uns antut. Wir müssen zunächst die unter Sprachmächtigen unter den Betroffenen verbreiteten Auffassungen sammeln und gelten lassen, dabei Lügen tilgen, Unannehmlichkeiten aber bestehen lassen. Dann müssen wir uns fragen, wie wir unserem Leben zurechtkommen, also eine Daseinsanalyse anstelle, wobei unser Werturteil phänomenologisch zurückhaltend eingeklammert wird. 

Literatur als Zeitströmung und Unterströmung

In der Literatur ist nicht ein einzelnes Werk Bestandteil einer Kategorie von Erkenntnissen oder Geistesprodukten unter einem überhistorischen Formprinzip als Gesamtheit der Literatur. Literatur ist ein Kollektivprodukt, eine gesellschaftliche Bewegung einer kleinen Gruppe in einer kurzen historischen Epoche angesichts der Herausforderungen dieser Epoche – die heute erforderliche Literatur als geistiges Zeichen der Zeit.

Die Literaturgeschichte lebt davon, diese Sprossen und Keime später zu bestimmen. Hier werden sie noch ‹bei Lebzeiten› ‹ausgegraben› – Zeitgeschichte, wenn sie noch raucht, das echte, pralle Leben, wo es stinkt und qualmt.

In 15 Jahren folgt eine neue geistig-literarische Strömung, und der Verlag will erneut Geburtshelfer und Herausgeber sein und dann erneut – organische Intellektuelle der verantwortungsbewussten intellektuellen Vorhut, immer eingedenk der oben festgehaltenen, unwandelbaren Unterscheidungsmerkmale, was Literatur ist und was nicht.

Die intellektuelle Avantgarde als begrenzte Form der Verantwortungsübernahme für die Weiterentwicklung der Gesellschaft hat keine eigene Überlieferung, setzt sich parteiförmig alle 15 Jahre von ihrer Vorgängerin ab, hat die ihr angemessene Überlieferung noch nicht gefunden.

Eine Tradition des Selbstbewusstseins stiften

Ein gewisses Trägheitsgesetz der Zivilisation lautete bisher, dass die Verhältnisse immer wieder in den altererbten Schoß der Hörigkeit und des Aberglaubens sinken, nachdem sie durch welche Aufklärung auch immer für einen Moment aus diesem ewigen geistigen Schlaf gerüttelt worden sind.

Die geistige Reaktion zeiht die Aufklärung der Verführung, denn sie ist nicht von Dauer und setzt den Gewaltunterworfenen Flausen in den Kopf, sie könnten ein selbstbestimmtes Leben leben. Doch den Letzten fressen die Hunde! Am Ende ist die Aufklärung schuld, wenn sich einfache Menschen ihres Standes überheben und nicht mehr in ein ordentliches Leben unter ihrem Nachbarn zurückfinden, aber auch nicht in höhere Ränge aufsteigen.

Achten wir solche Argumente nicht gering, so perfide sie auch sind! Es ist etwas dran, und breite Massen sind zutiefst davon überzeugt, wollen keinen Aufbruch zulassen. Erst ein Verlag der geistigen Avantgarde bringt dauerhaft Licht ins Dunkel; diesen Geist verkörpert er von vornherein, schart die Leserinnen und Leser darum und lädt sie zur kulturellen und intellektuellen Avantgarde ein – nicht nur in ihrer Jugend, sondern zwei oder drei Erweckungswellen lang.

Solange wir schlauer als unsere Oberen sind, solange (und je länger) wir immer mehr werden, desto eher werden sie sich auf unsere Vorstellungen und auf den Fortgang und die Weiterentwicklung der Zivilisation einlassen. Anders werden sie es niemals tun. Kopf hoch!