Aufklärung ist nie zu Ende
Verstehenschaffen will bisher auf dem Buchmarkt falsch oder albern dargestellte soziale Tatbestände in einem breiten Feld von Soziologie, Psychologie, Philosophie, Geschichte aufklären. Es geht hier ibs. um heute vom Aberglauben besetzte Wissensfelder; nur sind dies eben geistige Objekte, inmitten derer die Intellektuellen leben und die ihr Weltverständnis in der beginnenden schwarz-grünen Epoche prägen – heute falsch prägen. Eine unvollständige Aufstellung der Themen der Programmreihe könnte lauten:
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- Sexualität und Familie, Familientheorie;
- Gewalt als Herrschafts- und Erziehungsmittel und ihre Folgen,
- Regionale Wirtschafts- und Sozialgeschichte,
- Rechtsphilosophie zwischen Vorbestimmung und Willensfreiheit,
- Reformpädagogik und Kinderschutzprogramme,
- Psychotherapie: Geschichte, Denkschulen und gesellschaftlicher Zweck,
- Moderne Literaturgeschichte und Musikgeschichte des 19./20. Jh.
- Atlantische Geschichte und politische Ökonomie
Wissenschaft statt Aberglaube
Der klare Geist der Naturwissenschaften und empirischen Sozialwissenschaften hat auf diesen Wissensgebieten noch nicht Einzug gehalten, ist also auch im echten Lebensumfeld gewöhnlicher Menschen nicht angekommen. Familie, Kindheit, Erziehung und Betreuung werden wahlweise als herrschaftsfreier Raum oder als ererbtes Zwangsverhältnis idealisiert, gerade in den damit befassten Berufen.
Dies gilt umso mehr in einer Mediengesellschaft und in einer Epoche der Verallgemeinerung, damit aber auch Verwässerung von Intelligenzeigenschaften. Eine ‹aufgeklärte Gesellschaft› breitet sich nicht von alleine auf neue Wissensfelder aus, sondern nur, wo es zur rationalen Herrschaftsausübung notwendig ist. Andere Bereiche werden mehr oder weniger bewusst in einem Brei aus Halbwissen und Idylle, gewürzt mit ein paar Horrormeldungen, ertränkt.
Kritische Wissenschaft: Klarheit und Wahrheit
Verstehenschaffen lehnt gleichermaßen die Normalwissenschaft wie auch das populäre Sachbuch ab. Die Reihe verzichtet auf das im akademischen Schrifttum übliche inhaltslose Kauderwelsch wie auch auf eine kritiklose Widergabe eines sinnlosen Debattenstands. Ein vorübergehender Forschungsstand in höchst umstrittenen oder weitgehend unbekannten Wissensfeldern ist grundsätzlich niemals der ‹Stand der Wissenschaft›.
Eine ernsthafte wissenschaftliche Debatte zeichnet sich durch ein echtes Aufklärungsinteresse im Sinne eines gemeinmenschlichen Glücksstrebens aus, ist also ohne verständliche, aber doch genaue Darstellung nicht möglich.
Verstehenschaffen ist also der kritischen Wissenschaft, nicht der Normalwissenschaft verpflichtet, hält sich gleichwohl an die formalen wissenschaftlichen Gepflogenheiten. Es werden also nur Fachbücher, keine Sachbücher veröffentlicht, die Forschung und Lehre eng verbunden sind, nicht der Meinungsmache verpflichtet und schon gar nicht im Paralleluniversum der Verschwörungstheorien angesiedelt. Die Veröffentlichungen sind ohne Studium nicht verständlich, wohl aber ohne wissenschaftliches Studium an einer Universität als Vorbereitung selbständiger Forschungen, also nicht nur einer höheren Lehranstalt. (Es gibt ja heute zwei Studienklassen. Ohne Fachschule kein Weltverstehen, ohne wissenschaftliches Studium keine Welterklärung.)
Erkenntnisverfahren und klarer Stil
Die Themen als solche sind nur mit wissenschaftlichen Erkenntnisverfahren zu verstehen. Verfasserinnen und Verfasser sind unabhängige kritische Experten auf der einen Seite, verantwortungsbewusste Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der anderen Seite, doch werden sich die Unabhängigen immer um wissenschaftliche Formen bemühen, wohingegen die in der Wissenschaft amtlich Bestallten nicht ganz auf ihr im Grunde genommen sinnloses Gelaber werden verzichten können, durch das sie ihre Zugehörigkeit zur Zunft zu erkennen geben.
Der Verlag wird sich in allen Veröffentlichungen für einen klaren Stil, Gegenstandsbezug und komprimierte Durchdringung des Forschungsstands einsetzen und so Darstellungen in ‹mittelharten› Gegenstandsbereichen nach und nach auf ein seriöses Niveau heben.
Wissenschaft beseitigt Vorurteile
In unserer Auffassung dient Wissenschaft dazu, Vorurteile zu beseitigen und das Leben zu verbessern. Echte Erkenntnis ist in den ins Auge gefassten Gegenstandsbereichen schlechterdings nicht möglich, denn sie haben kaum eigenes, in sich selbst ruhendes ‹Sein›. Daher werden hier noch mehr als sonst Glaubensgrundsätze der jeweiligen Zunft oder Denkschule heruntergebetet. Nur ist dies eben gerade hier umso mehr überflüssig und irreführend, weil die Wahrheit so schwer zu erkennen, vielleicht auch so flüchtig ist.
Das Wiederkäuen unbewiesener und unbeweisbarer philosophischer Grundannahmen ist daher zu unterlassen, umso mehr der – heute leider oft genug übliche – Verweis auf offensichtlich falsche Forschungsergebnisse oder Hypothesen gerade im Bereich der Familiensoziologie oder Sexualität. Verstehenschaffen wird herbeigezogene Forschungsstände und Praxiserfahrungen stets ganz unabhängig von der herrschenden Meinung auf ihre Plausibilität prüfen und nur in lauterer Absicht verwenden.
Nicht geduldet werden ibs. Kettenzitate aus empirischen Studien ohne eindeutigen Befund sowie grundsätzlich jede unkritische Bezugnahme auf US-amerikanischen Untersuchungen. Diese sind in den hier betrachteten Wissensgebieten i. d. R. vorurteilsbeladen und verfolgen politische Absichten. Von den Autorinnen und Autoren wird verlangt, dass sie erkennbar gelesen und durchdrungen haben, was sie an Literatur benutzen.
Unser Wissen von Dämonen befreien
Eine solche strenge Wissensorientierung stellt das Verlaufsgesetz der Forschung als Diskurskarawane nicht infrage, gerade in Gegenstandsbereichen mit großen Werte- und Ermessensspielräumen, aber ohne empirische Forschungen. Doch – wollen wir in diesem Bild bleiben – ist Verstehenschaffen keine Poststation, sondern ein Gestüt, keine wissenschaftliche Reihe, sondern ein Wissensspeicher.
Nur ist echtes Wissen etwas anderes als ‹allgemein anerkannte Grundsätze›. Die altehrwürdigen Überlieferungen der jeweiligen Denkschulen, die so viele Fachdebatten heute prägen, sind nicht als solche verehrungswürdig; die Wirkungsgeschichte steht nicht über der Wahrheit. Wir wissen doch alle, wie viele Fehler, Verrat und Selbstüberschätzung die Überlieferungen enthalten und sollten sie daher nicht etwa kritisch prüfen, sondern in Bausch und Bogen verwerfen.
Auch richtige Einzelerkenntnisse sind im Gefüge eines psychologischen, rechtsphilosophischen oder volkswirtschaftlichen Theoriegebäudes nur auf dessen Gesamtaufbau zugeschnitten, werden also stets durch den Geist der übergeordneten Lehre verzerrt, ob von deren Anhängern oder deren Gegnern. Verstehenschaffen will solche epistemologischen Dämonen hinter sich lassen.
Stattdessen ist die natürliche Plausibilität als Maßstab anzulegen, wo naturwissenschaftliche oder wenigstens statistische Forschungen nicht möglich sind. Unlogische, unvollständige und offenkundig falsche Erklärungen verdienen keinen Respekt und sind bei nüchterner, unvoreingenommener Betrachtung leicht zu entlarven. Verstehenschaffen verwirft solche Schlacken, verschwendet keine Zeit mit ihnen. Sogar die Ideologiekritik wird an der kurzen Leine geführt, denn sie ist entweder Selbstbeschäftigung oder Entzauberung der Ungebildeten und daher beide Male irrelevant.
Verständliche Darstellungen vor dem Hintergrund der Wissenschaft und der eigenen Werte
Verstehenschaffen verfolgt ein gesellschaftliches Anliegen und drängt Autorinnen und Autoren, ihren Forschungen und Darstellungen einen Sinn zu geben, den sie bisher nicht hatten. Der Gegenstand ist nüchtern und präzise darzustellen, und diese Darstellung ist so knapp wie möglich in die Forschung einzuordnen; beide sind in Hinsicht auf ihre Beschaffenheit und gesellschaftliche Bedeutung gedanklich zu durchdringen, zu zergliedern und einzuschätzen.
Anstelle eines allgemeinen Überblicks oder gar einer ungeordneten Aufzählung immer weiterer Forschungsauffassungen ist der Tatbestand auf den Begriff zu bringen, und alle sinnvollen Möglichkeiten, ihn aufzufassen, sind zu gruppieren und zu typisieren, so dass Deutungsschneisen sichtbar werden. Entsprechend ist der Stil zwar wissenschaftlich, aber verständlich, nicht im Sinne eines Ratgebers, sondern im Sinne klarer Erkenntnis, wobei ibs. politische, philosophische und religiöse Grundannahmen ausdrücklich offenzulegen und mit der eigenen Forschung in Verbindung zu setzen sind.
Es gibt keine wertneutrale Forschung, und wir wollen auch nicht den Anschein erwecken. Es ist ein Unterschied, etwa aus feministischer oder nationalsozialistischer Warte gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder zu sein oder die Willensfreiheit als Grundlage des Zusammenlebens und dessen Ordnungen in Frage zu stellen.
Die Verfasserinnen und Verfasser sind jedoch nicht nur in ihren wissenschaftlichen oder kulturellen Vorurteilen befangen, sondern folgen ihren jeweiligen Ordnungsvorstellungen und beleuchten die Tatsachen ganz bewusst parteiisch. Es kann auch gar nicht anders sein, aber die Leserinnen und Leser müssen es erfahren und abwägen können.
Gewaltforschung und Emanzipation
Der wichtigste Untersuchungsgegenstand im Verstehenschaffen ist die Gewaltunterworfenheit der Einzelnen oder die Befreiung davon, ibs. verschwiegene oder vergessene Tatbestände und Zusammenhänge. Sie sind der verborgene Kitt der Unfreiheit. Daher wird angenommen, dass die Offenlegung die Verhältnisse erheblich stört und Abhilfe nur bei ständigem Offenhalten geschaffen werden kann.
Zwar müssen unangenehme Sachverhalte erst einmal ans Licht gezerrt werden, aber dadurch ändern sie sich noch lange nicht. Sie müssen immer wieder beschrieben werden, um sie als unverzichtbaren Teil einer unfreien Gesellschaft zu entlarven. Verstehenschaffen ergreift also Partei für die Wahrheit und Trägheit der Unfreiheit, hält sie nicht für flüchtig oder gar für ein ‹Missverständnis›, ein bedauerliches Erbe.