Langanhaltender sexueller Missbrauch in Kindheit und Jugend, nicht einmaliger Übergriff
Sexueller Kindesmissbrauch setzt sich bis zum bitteren Ende fort, wird nur gelegentlich unterbrochen; abgewartet wird der totale Zusammenbruch des Opfers – in der Annahme, dass ein gesundes Kind auch komplexe Traumata verarbeitet und nur die Schwächlinge versorgt werden müssen. Erst wenn der Täter aus dem Lebensumfeld des Opfers ausscheidet oder das Opfer schwer verletzt wurde (oder den Freitod sucht), tritt eine Pause ein.
Jedoch nehmen sich kaum je Verbündete der Opfer an; nur die Stärksten ziehen jetzt selbst die Reißleine; Schwächere werden nach Zusammenbruch ins Krankenhaus eingeliefert. Werden geschiedene Väter oder sozial schwache Mütter aktiv, behindern die Behörden sie, wo es nur geht, überweisen die Kinder lieber in geschlossene Wohneinrichtungen oder verwenden sie für den Kinderhandel.
Das Ausscheiden des Täters beendet zwar diesen einen Tatzyklus, doch wird die Gezeichnete rasch einem anderen Täter zum Opfer fallen. Meist endet der sexuelle Missbrauch im frühen Erwachsenenalter oder nimmt eheliche (oder eheähnliche) Formen an, und die Gezeichnete kommt dem Geschehen erst in einer Psychotherapie nach einem Zusammenbruch in den Wechseljahren, nach Scheidung, Geburt des Kindes, Renteneintritt auf die Spur. (Bei Männern ist es ähnlich, nur kommt es viel seltener vor.)
Bei Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch sofort eingreifen
Hat eine Betreuungsperson einen gut begründeten Verdacht oder Beweisfotos – und diese Anzeichen mit einer ‹insoweit erfahrenen Fachkraft› besprochen –, dürfte das Kind niemals in die Familie zurückkehren, sondern müsste sofort der Polizei zur Befragung und Beweissicherung übergeben, aber auch emotional gesichert werden. Die Eltern würden nicht unterrichtet, das Einschreiten ihnen gegenüber verschleiert. Nur macht das Eingreifen von Jugendamt und Polizei heute alles nur noch schlimmer, gerade wenn kommerzielle Interessen im Spiel sind (Kinderhandel mit Pflegefamilien, Kinderprostitution, Medikamentenexperimente, Behindertenwirtschaft).
Kehrt das Kind jedoch in die Täterfamilie zurück und ist diese über den Verdacht unterrichtet, wird es dort so massiv unter Druck gesetzt – i. d. R. massiver Gewalt ausgesetzt, die alles bisher Dagewesene übertrifft – und wird die Misshandlung fortan für immer leugnen. Dabei müssten fachlich geeignete Polizeibeamte (in Begleitung fachlich geeigneter Jugendamtvertreter) sofort nach der Befragung – während sich das Kind noch in Gewahrsam befindet – die Wohnung aufsuchen und dürften sich dort nicht mit Ausreden abspeisen lassen. (Dieser Einsatz dürfte dem Kind gegenüber nicht erwähnt, müsste sogar verschleiert werden.)
Vorsicht in Hinsicht auf Falschbezichtigungen ist niemals gegenüber den Aussagen (oder gar Wunden) des Kindes geboten. Kinder erfinden keine Falschbezichtigungen sexuellen Kindesmissbrauchs; ihnen fehlt nicht nur die Bosheit dazu, ihnen fehlen schlichtweg die Begriffe. Hingegen werden wir oft genug auf frei erfundene Verleumdungen vermeintlicher Kinderschänder durch missgünstige erwachsene Angehörige stoßen, ibs. frühere Lebensgefährten oder vermeintlich wohlgesinnte entfernte Verwandter. Auch Verharmlosung des Sachverhalts durch die durch das Kind als Täter Beschuldigten gehört hierher, denn hier wird die Tat nicht einfach geleugnet, sondern mit krimineller Energie verschleiert.
Heim und Gericht als Feinde Überlebender sexuellen Kindesmissbrauchs
Aufgrund Unschuldsvermutung und Beweismisstrauen ist der Nachweis sexuellen Kindesmissbrauchs im geltenden Recht fast unmöglich zu führen. Zudem wird er als Straftat nicht ernstgenommen, und die Opfer gelten aufgrund von Jugend, Trauma, Dissoziation, Selbstbild, Manipulation durch die Täter als unzuverlässig. Erst wenn Opfer oder Verbündete dem Ermittlungsdruck standhalten und wenn Leib und Leben ernsthaft in Gefahr sind, sind die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme gegeben (zumindest im Recht, wenn auch nicht immer in der Praxis), also nur äußerst selten und nur für die am meisten dissozialen Kinder, die anders draufgehen würden.
Solche Kinder, die Systeme sprengen, werden hernach zwischen verschiedenen Einrichtungen der Wiedereingliederungshilfe hin und her verschoben, die nicht als dauerhafter geschützter Lebensraum gedacht sind und mit den starken Persönlichkeitsstörungen solcher Patienten nicht umgehen können. Sogar in spezialisierten geschlossenen Wohneinrichtungen wird solchen Kindern die Schuld an ihren Verhaltensauffälligkeiten gegeben, und ihr vermeintlich schlechter Charakter wird zu korrigieren versucht – wenn sie nicht gleich mit Essens- oder Freiheitsentzug bestraft oder massiv unter Psychopharmaka gesetzt werden.
Die Rechtsprechung steht eisern auf der Seite unbescholtener gesunder deutscher Täter, wird das Kind eher dort als bei einer psychisch labilen Mutter lassen. Es zählt, dass der Haushalt des tatkräftigen – und gut verdienenden – Mannes wohlgeordnet ist, der Haushalt der antriebsarmen – und auf Sozialhilfe angewiesenen – Mutter nicht, auch wenn die Mutter die Kinder vielleicht aufrichtig liebt und der Vater sie vergewaltigt. Lediglich Ausländer oder notorische Gewaltverbrecher werden unter einem strafrechtlichen und rassistischen Blickwinkel zu harten Strafen verurteilt.
Dabei ist der typische Kinderschänder selten ein Krimineller, normalerweise ein unbescholtener, teils vor Ort angesehener Bürger und geselliger Familienvater; doch die Zeugenaussage des Opfers wird durch die Psychotherapie verfälscht (so der Bundesgerichtshof zur Beweiswürdigung ganz allgemein) und ist nicht mehr verwertbar. Sexueller Kindesmissbrauch ist also mit den herkömmlichen rechtlichen Mitteln nicht zu fassen, zumals das Opfer als Kind oder Jugendlicher die heimliche und streng tabuisierte Tat wirklich nicht sachangemessen beschreiben kann.
Kindeswohlgefährdung und Verleumdung: dysfunktionale Familien
Missbrauchte Kinder sofort und dauerhaft aus ihrem unmittelbaren Lebensumfeld zu lösen, muss von einer äußersten Maßregel bei Lebensgefahr zum Normalverfahren werden – aber eben nur sexuell missbrauchte oder schwer vernachlässigte Kinder, nicht Kinder, deren Eltern von ihren Verwandten oder Bekannten verleumdet wurden. Das ist nicht schwer zu unterscheiden, ein Kriterienkatalog lässt sich ohne weiteres erstellen.
Nicht die Interessen zerstrittener Verwandter oder voreingenommener Behörden dürfen das Geschehen bestimmen, sondern nur das Kindeswohl, wobei zudem das kindliche Verständnis der Situation zu berücksichtigen ist. Beides muss genau beschrieben werden, zur Benutzung durch weisungsgebundene Beamte ohne Empathie geeignet. Auch was sich nicht auf das Kindeswohl bezieht, muss sauber beschrieben werden, also z. B. die Annahme, die Mitwirkung einer bestimmten Behörde (also des Jugendamts oder Familiengerichts) erledige jede weiteren eigenen Bemühungen.
Wird hingegen vom Kindeswohl abgewichen oder werden Genehmigungswege nicht eingehalten, steht stets der Verdacht auf Kinderhandel, Kinderprostitution oder Heimkorruption im Raum. Die Fallstricke sind in einem Leitfaden zu beschreiben, und auch den Eltern ist ein solcher Leitfaden auszuhändigen, und sie sind darüber zu belehren – nicht nur bei Verleumdungen innerhalb der Familie, gestützt auf leise Anzeichen der Vernachlässigung, sondern gerade auch auch bei Tatverdacht.
All dies fehlt heute, und es sind auch keine ernstzunehmenden Bemühungen um solche Handreichungen festzustellen. Der Verlag Angelika Gontadse wird es sich zur Aufgabe machen, die Kriterien nach und nach zusammenzutragen und so den praktischen Kinderschutz zu unterstützen.
Mehr Selbstbestimmung und ein geschützter Lebensraum für Opfer statt Stigmatisierung
Heute steht nicht das Kindeswohl im Vordergrund des behördlichen und bald darauf psychiatrischen Eingreifens, sondern die Wiederherstellung der symbolischen Ordnung. Das ist nicht etwa eine steile ethnologische Annahme. Das Stigma des sexuellen Kindesmissbrauchs soll gelöscht werden, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Nicht die Tat stört den Frieden, nein, das Opfer!
Das sexuell missbrauchte Kind wird nicht als Opfer einer Straftat betrachtet, sondern gilt als beschmutzt. Um seine Ehre wiederherzustellen, wird nicht etwa der Straftäter verfolgt, sondern der sexuelle Kindesmissbrauch symbolisch gelöscht und damit die Identität der Opfer zerstört. Es war doch nicht so gemeint, hat eigentlich gar nicht stattgefunden – wie ein Verkehrsunfall oder ein tragischer Todesfall.
Das mag das richtige Herangehen bei einem einfachen, überfallartigen traumatischen Erlebnis sein, taugt aber nicht für den systematischen, langanhaltenden sexuellen Missbrauch in Kindheit und Jugend in mehreren aufeinander folgenden Wellen, der hier als Regelfall betrachtet wird. Die daraus resultierende Persönlichkeitsverformung wird nicht anerkannt; die Opfer werden als Lügner oder Simulanten dargestellt.
Angesichts dieses Abstands zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Entronnenen und gesellschaftlichem Wohlverhalten ist eine Sollgestalt eines geschützten Lebensraums, etwas unterhalb, aber nicht außerhalb der gesellschaftlichen Leistungsanforderungen zu entwerfen. Die wohlangesehene Gesellschaft kann und will den einmal über die Kante Gefallenen nicht helfen, kann sie nicht einmal ertragen.
Sie werden für ein selbstbestimmtes Leben Unterstützung brauchen, und sie werden meist keine vollwertigen Mitglieder der Leistungsgesellschaft mehr sein, brauchen aber deswegen noch lange in betreute Wohneinrichtungen abgeschoben zu werden, wo die Misshandlung oft genug auf eine andere Art und Weise weitergeht.
Was das konkret bedeutet, ist heute auch Wohlgesinnten unklar. Daher wird das Thema ‹Trauma und Freiheit› im Verlagsprogramm immer wieder eine Rolle spielen.
Inobhutnahme: Zuflucht statt Verwahrung
Eine Zuflucht muss schon ganz am Anfang errichtet werden. Wie geht es nach dem ersten Hausbesuch weiter, wer nimmt sich des Kindes an, eine Kindergynäkologin, eine Kinderstaatsanwältin, und wo wird es in den ersten Tagen und Nächten bei einer echten Bezugsperson in herzlicher Geborgenheit untergebracht? Wie wird dem Kinde die Inobhutnahme erklärt, ohne die kindliche Sinnordnung in Frage zu stellen?
Nur wenige erwachsene Fachleute wissen heute um das zerstörerische Potenzial des sexuellen Kindesmissbrauchs im engesten familiären Umfeld. Das Kind weiß es nicht. Das Kind hofft, dass die Familie weiterbesteht, die Qualen aufhören. Aber so ist es nun einmal nicht. Nur ist dies Jugendamt, Familiengericht und Polizei heute nicht bewusst. Schlimmer noch: Heute gleicht deine Insie der Verhaftung eines Verbrechers.
Wann erfolgt danach die Übergabe in eine dauerhafte Zuflucht, ibs. auch unter Berücksichtigung einer ggf. erforderlichen medizinischen Betreuung oder Vorbereitung auf einen Gerichtsprozess? Wie können die familiären Bindungen möglichst friedlich und ohne Schuldgefühle des Opfers gekappt werden? Das bedeutet aber auch: Wie lässt sich verhindern, dass die Angehörigen das neue Leben des Opfers auch weiterhin stören und ihm die Schuld an der Zerstörung der Familie einreden? Wie passt zudem das öffentliche Leben des Kindes in diesen Zusammenhang (Schule, Berufsausbildung, Freizeitaktivitäten), und wie sind die dortigen Betreuer in ein Kontaktmodell miteinzubinden?
Die meisten Einrichtungen, in denen Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs eine erste Zuflucht finden, sind nicht für eine dauerhafte Inobhutnahme geeignet, also etwa psychiatrische Kliniken, Kliniken für Essstörungen, Ausbildungsheime. Es wird angenommen, dass die Jugendlichen nach Begleitung durch eine schwierige Lebensphase im Wettbewerbsdruck einer globalen Hochleistungsgesellschaft bestehen können – wie es normalerweise bei körperlich schwer verletzte Patienten nach einer Rehabilitation der Fall ist.
Pflegefamilien sind nicht in der Betreuung schwer traumatisierter Kinder ausgebildet, schieben sie bei den allfälligen Verhaltensauffälligkeiten in geschlossene Wohngruppen ab (wollen auch mit solchen schwierigen, oft unheilbaren Fällen gar nichts zu tun haben). Oder aber sie nehmen am schwunghaften Kinderhandel teil, der in aller Regel auch mit der Kinderprostitution verbunden ist – auch dies keine übersteile Annahme, sondern im Heimwesen und bei den Jugendämtern gang und gäbe. Der Verlag Angelika Gontadse bereitet die entsprechenden Veröffentlichungen vor.
Geschlossene Wohngruppen – lukrative Behindertenwirtschaft
Sind diese mehr oder weniger bürgerschaftlichen Lösungen gescheitert, wird das vergewaltigte Kind in eine geschlossenen Wohngruppe oder ein Behindertenwohnheim eingewiesen (wo die Untaten oft genug weitergehen, sei es unter den Insassen oder ausgehend von den Betreuern). Die meisten Kinder- und Jugendheime sind gefängnisartige Verwahranstalten, deren Lebensbedingungen einer Genesung entgegenstehen. Die Spreu – die ‹Opfer› – wird vom Weizen – ‹Resilienz› – getrennt und außerhalb der Öffentlichkeit auf einer sozialen Müllhalde für ‹hoffnungslose Fälle› und ‹Systemsprenger› entsorgt.
Diese Entsorgungseinrichtungen sind eine Welt für sich und machen die unheilbaren Opfer bis an ihr Lebensende unsichtbar – ein Kartell staatlicher, kirchlicher, freier und privater Träger außerhalb der allgemeinen juristischen, sozialpolitischen oder pädagogischen Diskussion. In dieser Behindertenwirtschaft ist Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Hier regiert nicht christliches Mitleid – es ist ein knallhartes und äußerst lukratives Geschäft! Der Verlag Angelika Gontadse bereitet die entsprechenden Veröffentlichungen vor.
Die Opfer werden in den Verwahranstalten, aber auch in der Benachteiligtenförderung – etwa inklusivem Schulunterricht – nicht im Sinne der individuellen Genesung oder der sozialen Verantwortung behandelt, sondern eingesperrt – vielleicht sogar fixiert – oder unter Drogen gesetzt, bis sie auch noch das letzte bisschen Verstand verlieren.
Danach sind sie entweder eine qualmende Ruine, die den Fortgang der Gesellschaft nicht in Frage stellt, oder sie haben gelernt, sich nichts anmerken zu lassen, niemals eine wahre Antwort zu geben, Bilder zu malen, die ihnen gar nicht durch den Kopf gehen (wie es gerade Psychiatriepatienten schon nach den ersten Wochen lernen). Dann lassen sie dich in Ruhe, überschwemmen dich nicht mehr mit Psychopharmaka, lassen dich vielleicht sogar irgendwann frei.
Der Zweck der Einrichtung ist Abrichtung, nicht Heilung; ‹Heilung› wird nur als Anpassung an die gesellschaftliche Verhaltensnorm verstanden. Dem Vergewaltigungsopfer wird sein gesellschaftliches Fehlverhalten vorgehalten; dieses ist zu korrigieren. So wird es bereits im Therapievertrag (getreu dem in den Vereinigten Staaten verbreiteten ‹psychosozialen› Verständnis) festgehalten. Die Patientin muss sich der Gesellschaftsordnung, in der die Täter gut angesehen sind, unterwerfen, bevor die Psychotherapie auch nur beginnt. Deren Ziel ist dann wiederum die erneute Entlassung ins Tatumfeld, wo die Untaten vermutlich wiederum fortgesetzt werden, nicht eine dauerhafte Auswanderung in ein würdevolles Umfeld.
Solidarische Betreuung der Beschädigten, nicht Abschieben
Doch bleiben die nunmehr endgültig unheilbaren Fälle nicht für immer im Heim, denn sie würden dort rasch sterben und dann schon allein dadurch doch wieder Skandal machen. Sie werden auf wilden Müllkippen außerhalb der Statistik abgelagert, halboffenen Wohneinrichtungen mit lebenslanger Therapiebegleitung (nach dem Muster einer Bewährungshilfe). Ein selbstständiges Leben der nicht genesenden Opfer ist nicht vorgesehen; in einer Behinderteneinrichtung würden sie auf die Dauer stören.
Doch wie können Schwerbeschädigte, die gerade – wenn es gut läuft – erst mühsam neu zusammengesetzt worden sind, in die Freiheit entlassen werden, sollen Inobhutnahme und geschützter Lebensraum nicht im Behindertenwohnheim enden? Gerade schwere, für künftige Täter leicht aufzuspürende Fälle dürfen einer gewalttätigen Gesellschaft nicht schutzlos ausgeliefert werden. ‹Wiederentlassung ins Tatumfeld› bezieht sich ja nicht nur auf etwa die unveränderten Familienverhältnisse, sondern auch auf ein Verhalten, mit demn sich das einstige Opfer schutzlos weiteren Tätern ausliefert oder sich ihnen sogar unbewusst nähert.
Um die Opfer vor ihrem selbstzerstörerischen Verhalten zu schützen und ihnen ein aufrechtes Leben in Würde zu ermöglich, ist an bürgerschaftliche oder genossenschaftliche Formen, weniger an die freie Wohlfahrtspflege zu denken, Netzwerke von unseresgleichen, die aufeinander aufpassen und einander unterstützen. Die Opfer erwarten zu Unrecht Hilfe von kompetenter Seite, statt dass sie sich selbst helfen, wie es doch alle anderen Gruppen tun. Dass sie gelitten haben, ist keine Entschuldigung.
Echte Genesungsbegleiter sind nur in den eigenen Reihen zu finden, aber was macht sie aus, wenn sie nicht wieder nur unsere eigenen Schamanen sind? Wie lassen sie sich auf das Wohl und die Selbstbestimmung der Patientin verpflichten, statt dass sie ihren eigenen ‹energietischen› Vorstellungen anhängen? Welche gemeinsamen Lebensformen sind vorstellbar, und wo ist die Abgrenzung zu einer Sekte, die ja ebenfalls stets in ihrer eigenen Sinnordnung kommunistisch zusammenlebt; was ist rechtlich gerade auch im Außenverhältnis zu beachten (Privatschule, Eigenbetriebe, Behindertenbeirat, Ruheheime)?
Solidarisches Wachen über den inneren Frieden
Nur in einem örtlichen Kontakbündnis ist ein rasches und rigoroses Eingreifen bei sexuellem Kindesmissbrauch möglich. Es gilt, entsprechende Erfahrungen zu verbreiten und zu verallgemeinern. Dort sind auch die unterschiedlichen – oder einander widersprechenden – Ordnungsvorstellungen der in der Jugendhilfe Engagierten offenzulegen, gegeneinanderzuhalten und im Sinne der Betroffenen in gemeinsamen Handlungsgrundsätzen zu legieren.
Erforderlich ist ein bürgerschaftliches Verantwortungsbewusstsein, das die Familie nicht für unberührbar hält, aber auch nicht die eigenen Wertvorstellungen. Dieses gemeinsame Veranwortungsbewusstsein entsteht nicht von selbst, sondern muss in den einschlägigen Berufsausbildungen und Fortbildungen gelehrt, dann aber auch in der Öffentlichkeit propagiert werden.
Damit ist mehr gemeint als eine Plakatkampagne oder eine Aufklärungseinheit in der Schule oder im Kindergarten. Es geht darum, die gesamte hier in Frage kommende Öffentlichkeit i. S. organisationalen Lernens fortzubilden, damit sich die Wertesysteme von Gebildeten und Ungebildeten nicht noch weiter auseinanderentwickeln. Während die Fachleute sich gewisse Grundkenntnisse der wahren Sachverhalte aneignen, verharrt die breite Masse in unhaltbaren Vorurteilen.
Es geht nicht darum, wer Recht hat. Die tiefgehene Meinungsverschiedenheit als solche ist das Problem. Solange die Grundsätze ‹Familien stärken›, ‹Missbrauch unterbinden› und ‹Schwanz abhacken› einander unversöhnlich gegenüberstehen, werden wir nicht alle gemeinsam handeln, sondern einander sogar noch unter den wenigen Gutwilligen bekämpfen. Um diese Unversöhnlichkeit zu bekämpfen, müssten die Beteiligten oder Meinungsträger ihre unterschiedlichen Grundsätze zunächst einmal besprechen und begründen. Aber das wollen sie nicht. Alle mit solchen Themen Befassten halten die obwaltenden Regeln und Verfahren für angemessen.
Inhobhutnahme ist nicht erwünscht
Die rechtlichen Voraussetzungen, um bei sexuellem Kindesmissbrauch zugunsten des vergewaltigten Kindes einzuschreiten, sind heute fast unüberwindbar. Inobhutnahme ist im Grunde genommen nicht erwünscht; die Familie steht unter dem Schutz des Staates, auch die dysfunktionale Familie; bei Verdachtsfällen werden die Erziehungsberechtigten zunächst einmal fortgebildet (denn ihnen ist vielleicht einfach nicht bewusst, dass Erwachsene keine Kinder vergewaltigen sollten). In der Realität werden die Kinder möglichst lange in ihrer zerstörerischen Familienumgebung eingehegt, und es wird vielleicht sogar gutgeheißen, damit sie dort ‹den Ernst des Lebens lernen›.
Drehen wir den Spieß einmal um! Stellen wir uns vor, es würde möglichst früh im Sinne des Kindeswohls eingeschritten! Wie lässt sich dann der geeingnete Zeitpunkt überhaupt festellen, und welche Maßnahmen müssen konkret ergriffen werden? Wer müsste im konkreten Einzelfall mit wem reden, wie kommen wasserdichte Gutachten und Anträge zustande, damit wir ein Kind aus dem Feuer nehmen können, oder wer wagt, es in der Höhle des Löwen zu lassen? Es gibt heute keine nachvollziehbaren Regeln; auch die Handreichungen einzelner Jugendämter sind nur dem juristischen Selbstschutz der Behörde verpflichtet.
Stellen wir nun noch in Rechnung, dass es kein konkretes Interesse an der Aufdeckung der Schande gibt, wohl aber ein ausgeprägtes Interesse, die Täter zu schützen.Ein Kinderschutz, der es ernst meint, müsste diesen Widerstand ja nicht nur brechen, sondern Kinderschützer aktiv bekämpfen. Wie scharf wollen und dürfen wir also gegen Kinderschänderschützer vorgehen, die ihren Ermessensspielraum missbrauchen, und wie können wir die Kinderschutzbewegung ggf. bei Strafprozessen gegen wohlangesehene und gutbetuchte Lichtgestalten eines schmutzigen Systems bei der Stange halten?
Öffentlichkeit herstellen: ein zweischneidiges Schwert
Den alltäglichen sexuellen Kindesmissbrauch und seine Geringschätzung systematisch und aggressiv in die Öffentlichkeit zu tragen, würde der Sache nicht unbedingt nützen. Die feministischen Aktivistinnen haben Anfang der 1990er Jahre einen hohen Preis für ihr – nicht nur propagandatisch, sondern auch juristisch – forsches Vorgehen gezahlt; ihre Gegner haben den sexuellen Kindesmissbrauch und die dadurch hergerufenen Schäden einfach in seienr Gesamtheit geleugnet, und sie sind auch heute noch nicht geschlagen.
Gerade die Opfer scheuen die Öffentlichkeit, wollen nicht ins Rampenlicht gezerrt werden, und die Öffentlichkeit würde auch gar nicht den wahren Sachverhalt erfassen, sondern nur ihrer Empörung frönen. Eine sinnvolle Öffentlichkeit muss also auf eine unaufdringliche Art und Weise hergestellt werden, ohne die legitime Ordnung zu delegitimieren, eine Art von erweiterter Fachöffentlichkeit mit einer vorsichtigen Dosis Wissenschaft und Facherfahrungen, um ungesunden Zornesausbrüchen zu steuern (wie sie oft aus Abscheu vor sexuellem Kindesmissbrauch erwachsen, den Opfern aber nichts nützen), mit einem sich stets erweiternden Vorfeld.
Das bedeutet aber nicht, dass das Geschehen unter den Teppich gekehrt, den Opfern gewissermaßen nur ‹unter der Hand› geholfen wird. Kinderschutz muss sich unweigerlich gegen die Täter richten und sie ohne Ansehen der Person empfindlich treffen.Werden die Täter nach und nach immer öfter gebrandmarkt, sind diese Erfolge zu dokumentieren und zu propagieren, so dass andere anderswo rasch daraus lernen können.
Die Täterschützer werden einzelne Rückschläge ohne weiteres einstecken, sich aber nicht gegen eine ganze Bewegung stemmen, die aus ihrem eigenen professionellen Umfeld aufsteigt. Es geht also darum, ihnen ihre eigenen Leute abspenstig zu machen, die bisher immer zu ihnen gehalten hätten. Das ist soziologisch vorstellbar. Der Verlag Angelika Gontadse will sich an der Entwicklung und Verbreitung geeigneter Methoden und der angemessenen Gesinnung beteiligen.
Kindeswohl vs. Autonomie der Familie
Verantwortung zu übernehmen, wie wir es von einer Kinderschutzbewegung erwarten, ist ein zweischneidiges Schwert, erfordert persönliches moralisches Engagement weit über das geregelte Anstaltshandeln in einer Einrichtung oder Behörde hinaus. Wir retten das Kind vor Misshandlung, zerstören aber eine Familie, deren Sinnstiftung wir bei allen Bemühungen niemals werden ersetzen können. Das geschändete Kind erleidet ja nicht Grausamkeit an der Hand von Fremden, sondern wünscht sich auch in der eigenen unmöglichen Situation weiterhin eine intakte Familie, will dem Täter gefallen und zerbricht unter der Unmöglichkeit.
Ob wir das Opfer nun retten oder es weiter bluten lassen; es erleidet nicht einholbare Verhaltens- oder Identitätsstörungen, und das muss uns bewusst sein; wir werden Schuld auf uns laden, was auch immer wir tun oder unterlassen. Wem dies nicht bewusst ist, sollte die entsprechenden Berufe nicht ergreifen und mit den einschlägigen Fällen nicht befasst werden. Diese ehtische Dimension spielt in den Erziehungs- und Sozialberufen heute keine Rolle.
Supervision und Vernetzung einer Kinderschutzbewegung
Aber es arbeiten nun einmal Menschen in dieser verantwortungsvollen Position und müssen mit den Fällen zurechtkommen, die sie eigentlich nie in ihrem Leben bearbeiten wollten.Vor diesem Hintergrund muss die Supervision zum Qualitätskreis ausgebaut werden. Hier muss es darum gehen, was es bedeutet, gerade in den schlimmsten aller Fälle Verantwortung zu übernehmen, und wie man sich verhalten muss. (Man darf den Fall in diesem Kreise auch aufgeben, doch muss ihn ein Besserer übernehmen.)
Heute werden hier immer wieder dieselben Checklisten besprochen, und die Mitarbeiter verstehen einfach niemals, worum es geht (und wollen es auch nicht verstehen). In Zukunft müsste Fall für Fall erarbeitet werden, wie die Aufhebung der Familie identitätsschonend begleitet werden kann. Der Verlag Angelika Gontadse regt solche Qualitätskreise vor Ort an und begleitet ihre Arbeit, versucht also, selbst als Reformkraft in das Geschehen einzugreifen.
Idealerweise werden solche Lösungen und ihr Ertrag in Echtzeit in der gesamten Kinderschutzbewegung geteilt. Es mag auch heute bereits solche Versuche geben, aber sie sind nicht vernetzt und vom guten Willen einzelner abhängig – z. B. eines bestimmten Sozialmatsleiters oder Bischofs –, verwehen also immer wieder rasch. Daher verlieren die in diesem Bereich Tätigen irgendwann den Mut, aber das muss nicht sein. Es ist eine Frage der Zusammarbeit auf der Grundlage gemeinsamer Ziele. Verstreute Widerstandsinseln guten Willens werden rasch fortgespült, doch eine sich selbst verstärkende Woge spült den Widerstand fort.
Solidarisches Kontaktbündnis – Kinderschutzbündnis nicht nur der Fachkräfte
Ertüchtigung derer, die beruflich regelmäßig mit dem sexuellen Kindesmissbrauch in Berührung kommen (und heute lieber wegsehen, als Verantwortung zu übernehmen) – gut und schön! Sie alleine können die Verhältnisse nicht ändern, greifen der Natur der Sache nach immer erst ein, wenn es zu spät ist. Gerade auch alle juristische und kasuistische Filigranarbeit ist nur auf dem Papier, ändert aber die gesellschaftlichen Gegebenheiten nicht (auch wenn einzelne gerettet werden mögen).
Doch müssen sich nicht nur die einzelnen Berufe oder Einrichtungen im Bereich Erziehung, Soziales und Gesundheit der Herausforderung des sexuellen Kindesmissbrauchs im Sinne des Kindeswohls stellen. Sie müssen sich untereinander zu einem örtlichen Kontaktbündnis zusammenschließen, zu dem auch die Öffentlichkeit und die Politik gehören. Der Verlag Angelika Gontadse wird dies anhand von Familienzentren und Stadtteilzentren in Europa untersuchen, die einem ähnlichen kooperativen Grundgedanken unterliegen.
In solchen Kontaktbündnissen zählt der gute Wille mehr als der Buchstabe der Vorschriften. Doch nun gilt es, konkret herauszuarbeiten: Wer muss sich mit wem verbünden, wer mitziehen, wer über seinen Schatten springen, wen sollte man aus dem Bündnis ausschließen? – Betreuungseinrichtungen und Schulen, Gesundheitswesen, Ämter und Behörden, Jugendwesen. Was ist nacheinander zu tun?
Das Bündnis entsteht und handelt gleichzeitig; Öffentlichkeit, Fachleute und Bevölkerung rücken näher zusammen. Nur dürfen sie das u. U. gar nicht, denn in der Rechtsordnung ist das Kindeswohl bisher kein hohes Gut; da sind gewisse Verfahrensvorschriften wichtiger. Wer verstößt nun also in diesem Zusammenhang zusammen mit wem bewusst gegen das Gesetz – wenn es etwa um den Widerspruch zwischen Schweigepflicht und Ermittlungspflicht oder die vorgeschriebene unheilvolle Einbeziehung der Eltern geht? Das Kindeswohl macht Gesetzesvorstöße oder das Umgehen von Vorschriften erforderlich.
‹Kinder, die Systeme sprengen›
Derzeit sollen schwierige Kinder beherrscht und angepasst werden – so das Erziehungsstil in allen Einrichtungen; nur in randständigen Psychotherapien wird ein liebevolles Umgehen mit der Patientin propagiert. Doch es gibt keine ‹Kinder, die Systeme sprengen› – aus gewalttätiger Veranlagung oder Unwille zur Unterordnung – und daher ‹an die Kandare genommen werden müssen›. Heute wird ja gefragt, wie das Betreuungs- und Erziehungssystem mit solchen ‹undankbaren›, ‹ungehorsamen› Zöglingen umgehen kann.
In Wirklichkeit werden diese Kinder nach ihren ehimischen traumatischen Erfahrungen nunmehr vom Betreuungs- und Erziehungssystem immer weiter unter Druck gesetzt. Nun verlangt die Heimerziehung, was einst die Täter in ihrer Verlogenheit von den damaligen Opfern verlangten; die Werte sind dieselben (oft genug noch immer auch die Methoden). Wenn sie nicht spuren, werden sie unter Medikamente gesetzt.
Dabei würde es ganz im Gegenteil darum gehen, sie zu verstehen und ihnen gerecht zu werden – dies nicht etwa aus engelsgleicher Empathie, sondern in einer lehrbaren Sonderpädagogik, wohlgemerkt. Aber wenn sie dann nicht mehr in die Gesellschaft passen oder die Gesellschaft sie nicht akzeptiert? Sie behalten ja immer ihr Stigma. Der Verlag Angelika Gontadse möchte zunächst einmal Elemente einer Reformsonderpädagogik zusammentragen und die Machbarkeit eines anderen, menschlichen Umgangs mit den Opfern häuslicher Gewalt zeigen.
‹Das einzige, was stört ist das Opfer›
Heute unterliegen die Opfer langanhaltenden sexuellen Missbrauchs in Kindheit und Jugend, sofern sich ihrer angenommen wird, der Fremdbestimmung, sollen an ein klagloses und fragloses Leben in Gesellschaft angepasst werden. Dieses Umgehen richtet sich de facto nicht gegen die Täter, sondern gegen die Opfer – getreu der zynischen Erkenntnis aller Überlebenden: ‹Das Einzige, was stört, ist das Opfer. Gäbe es keine Überlebenden, wäre das Verbrechen nicht so hässlich.› Und so erhalten die Täter heute eine aufopferungsvolle therapeutische Unterstützung bei der Widereingliederung ins bürgerliche Leben – stets auf Staatskosten –, wohingegen die Opfer von der Krankenkasse keine Psychotherapie bezahlt bekommen.
Ein humanistisches Herangehen müsste hingegen auf Selbstbemächtigung der Opfer beruhen, sich ihr Leben und ihre Genesung nach ihren eigenen Maßstäben einzurichten. Nicht nur hätten sie in der Therapie und Fremdunterbringung das Sagen, sondern auch in einem zu schaffenden dauerhaften Lebensraum. Oder fangen wir klein an: Die Patientin muss im Heilplangespräch verantwortungsbewusst beteiligt werden, gerade auch was die Vergabe von bewusstseinsverändernden Psychopharmaka angeht; sie darf Handy und Laptop in der Klinik nicht ohne ihre ausdrückliche Willenserklärung abgenommen bekommen, und die Lektüre der einschlägigen Fachliteratur darf nicht untersagt, sollte sogar – ggf. unter Betreuung – gefördert werden.
Der Grundgedanke des Verlags Angelika Gontadse ist hier: Wer langanhaltenden sexuellen Missbrauch in Kindheit und Jugend über sich hat ergehen lassen müssen, ohne dass es die Gesellschaft interessiert hat, braucht dieser Gesellschaft heute nicht mehr zu dienen; sie kann für ihn oder sie niemals wieder Vorbild oder Sinnhorizont sein. Aber wir müssen gar nicht so grundsätzlich an die Dinge herangehen, schon winzige Beteiligungsrechte der Patientinnen und Patienten (und ggf. ihrer Verbündeten) verbessern deren Situation grundlegend.
Das Opfer ist böse und muss resozialisiert werden
Derzeit wird das Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs über sein abweichendes Verhalten definiert, als krank, behindert oder verrückt wahrgenommen – nicht Opfer jahrelanger Qaul, sondern Schädling, giftiger Überrest, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung mit Neigung zur Drogensucht, Selbstmordversuch, Verleumdung naher Angehöriger. Man wird so eine Person nicht ernstnehmen, sondern verachten, was auch immer ihr wiederfahren ist.
Daher der Behandlungsgrundsatz, aus dem Opfer wieder ein vollwertiges und verantwortungsbewusstes Glied der Gemeinschaft zu machen – nach deren hergebrachten Grundsätzen. Das dumme Ding soll sich mal nicht so anstellen! Andere haben auch gelitten und gehen trotzdem arbeiten! Wer unbelehrbar bleibt, wird hingegen auf keinen Fall wiedereingegliedert, sondern bleibt dauerhaft unter Vormundschaft, um giftige Umtriebe einzuhegen – sich etwa in freier Wildbahn erneut vergewaltigen zu lassen.
Denkt die Betreuung wirklich so? Ich persönlich bin davon überzeugt. Formulieren wir dennoch etwas sachlicher: Im vermeintlich therapeutischen Umgang mit den Opfern langanhaltenden sexuellen Missbrauchs in Kindheit und Jugend gehen eine Heilungsvorstellung aus der organischen Medizin und der Psychoterror der Heimerziehung eine unheilvolle Verbindung ein. In der organischen Medizin ist ein Trauma meist heilbar und selbst in schweren Fällen durch lebenslange Physiotherapie beherrschbar. Anstaltsunterbringung in Erziehungsheimen oder Gefängnissen, früher auch Armenhäusern soll den Insassen keinen angenehmen Aufenthalt bieten, ganz im Gegenteil; je unangenehmer, desto besser.
Doch im Falle des sexuellen Kindesmissbrauchs leidet das Opfer nicht unter einer seelischen Verletzung, einer körperlichen Wunde gleich, als wären etwa Nervenstränge beschädigt oder durchtrennt worden, sondern seine Identität wurde verbogen und lässt sich nun eben nicht mehr zurückbiegen (wie es das Lehnwort von der Resilienz nahelegt). Das Missbrauchsopfer hat u. U. niemals ein adäquates Verhältnis zur realen Welt und zu anderen Personen entwickelt und dass das im erwachsenen Alter auch nicht mehr lernen.
Das Umgehen mit Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs muss also auf der Grundlage ihrer Selbstbestimmung neu erdacht werden. Sie müssen Gewalt über ihr eigenes Leben und ihre eigenen Heilung erhalten und beim Erwerb der entsprechenden Fähigkeiten unterstützt werden. Sie durften ihr Leben lang nicht sie selbst sein und leiden genau hierunter, werden nun aber auch weiterhin unmündig gehalten oder sogar gegen ihren Willen in eine bestimmte Entwicklungsrichtung gedrängt.
Eine Insel der Seligen
Wie können die Unheilbaren, vielleicht sogar Behinderten mit ihrem Schicksal umgehen – wenn sie nicht wie Wahnsinnige oder wie Verbrecher behandelt werden. Nur um solche Überlebenden geht es hier, nicht um heilbare Traumata. Sie können nicht in einer Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft leben, sind nicht nur dem Wettbewerbsdruck und der damit stets verbundenen Gewalt nicht gewachsen, sondern können auch deren Werte nicht mehr anerkennen. Die Opfer wollen entweder den Rest ihres Lebens mit ihresgleichen verbringen (die wenigen Radikalen) oder sich ganz im Gegenteil von allen diesen Gewohnheiten verabschieden und unauffällig leben (die große Masse).
Es wird unter den Überlebenden also drei Kreise geben, hier zunächst kurz gesagt:
-
- enger Freundeskreis der am meisten in Mitleidenschaft Gezogenen,
- ‹Ausgewilderte›, die mit einem unauffälligen Leben in der Gesellschaft zurechtkommen,
- ein ein Selbsthilfenetzwerk zur gegenseitigen Förderung etwa des ‹unauffälligen Leben› im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, medizinisch.
Aber leben wirklich die meisten ein ‹unauffälliges Leben›, oder wem gelingt es, wem nicht? Niemand weiß es. Psychotherapeutinnen behaupten es von der Mehrzahl ihrer Klientinnen, doch diese sind nur die Lebensfähigen. Wie viele vergammeln in betreuten Wohneinrichtungen, bringen sich um oder sterben früh. Der Verlag Angelika Gontadse möchte mehr darüber herausbekommen. Doch will niemand gerne Licht in das Dunkel solcher Unterbringungen bringen.
Doch am Anfang steht ein Heim oder eine Pflegefamilie. Dieser geschützte Lebensraum ist eine Ersatzfamilie mit Ersatzeltern, keine medizinische oder wohltätige Einrichtung, die Fälle abarbeitet. Die in Obhut Genommenen lernen in einem geschützten Lebensraum Gemeinfrieden und Sozialverhalten und gewinnen ein Grundvertrauen anderen gegenüber, werden aber nicht wie Behinderte behandelt, sondern wie ‹Kinder armer Verwandter›, die durch die bessergestellten Angehörigen großzügig in ihrer Ausbildung unterstützt werden. Doch benötigen solche Pflegefamilien nicht nur guten Willen und Liebe, sondern auch eine solide traumatherapeutische Ausbildung und entsprechende Einbindung.
Ein örtliches Kontaktbündnis sichert einen geschützten Lebensraum
Ein geschützter Lebensraum liegt nicht im Inneren einer Festung, sondern ist ‹draußen› in der allgemeinen Lebenswelt an ein Unterstützungsnetzwerk angeschlossen. Dieses ist weder ein Milieu noch ein Verwaltungsapparat. Ein geschützter Lebesnraum verfügt also nicht über eine enge Trägerschaft im Sinne einer Stiftung, eines Sozialwerks oder Jugendamts, sondern beruht auf einem örtlichen Kontaktbündnis (einem Familenzentrum oder Stadtteilzentrum oder dem sozialdemokratischen oder kirchlichen Ortskartell ähnlich, nur eben in diesem Falle beiden zugleich).
Dieses Kontaktbündnis bezieht das Gemeinwesen und die Öffentlichkeit mit ein, aber auch tief empfundenes menschliches Engagement. Wenn wir hilflosen Kindern ihre Familien wegnehmen, müssen wir ihnen eine neue Familie geben, vielleicht eine Großfamilie (vielleicht in einem Mehrgenerationenhaus mit integrierter Sozialstation). Wenn wir ihnen keine Liebe geben, werden wir sie nicht retten.
Das Kontaktbündnis wird – der freien Wohlfahrtspflege ähnlich – von Ort zu Ort unterschiedlich sein, aus nicht allzu vielen Personen bestehen, eine Art Sozialparlament (oder örtlicher Honoratiorenvorstand in der Wohlfahrtspflege), das für den Träger verbindliche Regeln vorgibt.
Erst anhand einer plausiblen Utopie lassen sich die bereits heute vorhandenen Keimformen auffinden, bewerten und ggf. in der Fläche ausbringen. Denn die bestehenden Verhältnisse sind für ein gedeihliches Zusammenleben nicht geeignet und diesem Ziel vermutlich auch nicht anzupassen, sind nun einmal nicht für ein selbstbestimmtes, unversehrtes Leben gedacht.
Kleinfamilie kann Kindeswohl nicht gewährleisten
Fest steht nur: Die Kleinfamilie ist als verbindliche Lebensform historisch gescheitert. In dieser Hülse hat die Freiheit aller Einzelnen in der Frühen Neuzeit die mittelalterliche Leibeigenschaft abgeschüttelt und danach über Jahrhunderte den sozialen Aufstieg aus bescheidenen Verhältnissen ermöglicht. Nur geht es heute um die Kinder, nicht mehr um die Eltern.
Doch hält das staatliche Familenleitbild am Elternwohl und am Elternrecht fest. Nichts gegen Erziehungshilfe in Einzelfällen! Aber die Gussform als solche kann das Kindeswohl nicht gewährleisten; es ist in der Kleinfamilie nicht einmal ein Wert. Das ist bisher nicht weiter aufgefallen, weil das Kindeswohl bisher für das Gedeihen einer Gesellschaft nicht erforderlich war. Doch das ändert sich im Zentrum des kapitalistischen Weltsystems gerade.
Doch ist Freiheit von Gewalt im unmittelbaren Lebensumfeld ein Leitbild der Sozialpolitik, aber nicht die allgemein anerkannte gesellschaftliche Wertgrundlage. Gerade die Kleinfamilie orientiert sich am eigenen Fortbestand, eher an den Interessen der Eltern. Die aktuelle ethische, normative, psychotherapeutische Debatte ist von der Kleinfamlie nicht in der breiten Fläche resorbierbar, wird dort sogar eher bewusst außen vor gehalten.
Die dysfunktionale Familie
Die dysfunktionale Familie ist ein Auslaufmodell der gesellschaftlichen Integration, wird zwar von reaktionären Kreisen noch hochgehalten, ist aber den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr gewachsen. Wohlgemerkt geht es hier nicht darum, die Familie aus einer gegen sie voreingenommenen Weltanschauung heraus zu zerschlagen. Sie löst sich längst von alleine auf, stellt sich immer mehr als Tatort denn als Ort der Geborgenheit (und wäre diese unvollkommen) heraus.
Flächendeckend proletarische oder kleinbürgerliche Kleinfamilien entsprechen also längst nicht mehr dem Stand der Zivilisation, verweigern Zivilisation ganz im Gegenteil sogar. Gleichwohl (oder gerade deswegen) träumen gerade viele Opfer von langanhaltendem sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend davon, selbst eine intakte Familie zu gründen, wie sie sie niemals erleben durften. Entronnene schätzen sich glücklich, wenn sie endlich den Traummann finden, der sie erlöst, finden ja auch wirklich keine andere Stütze im Leben, wurden von allen anderen stets hängengelassen oder verraten.
Doch ist das Liebesidyll eine trügerische Hoffnung. Wenn die Kleinfamilie als solche heute nicht mehr die angemessene Erziehung, die erforderliche Geborgenheit gewährleisten kann, müssen wir beizeiten über alternative Lebensformen (außerhalb der gescheiterten sozialistischen Großanstalten) mit Geborgenheit und Selbstbestimmung als Hauptpfeiler nachdenken.
Nur sehr wenige Überlebende langanhaltenden sexuellen Missbrauchs in Kindheit und Jugend werden ein gedeihliches eigenes Familienleben hinbekommen, auch nicht mit Unterstützung durch Traumapädagogik und Erziehungshilfe. Wir können sie damit alleine lassen, oder wir können über erfüllende alternative Lebensformen nachdenken.
‹Leprasiedlung› – Freiheit gemeinsam verteidigen
Diejenigen, die es am schlimmsten erwischt hat, werden sich am besten einen Rückzugsraum am Rande der Gesellschaft zurückziehen, eine eigene moderne ‹Leprasiedlung›, wenn man dieses Vorbild im guten Sinne verstehen möchte, dass sich die aus der Gemeinschaft Verstoßenen ein eigenes Habitat schaffen – vielleicht von einigen Verbündeten unterstützt.
Dort sind dissoziative oder Grenzstörungen, Erinnerungsschübe oder extreme Stimmungsschwankungen nicht weiter aufregend, gelten jedenfalls nicht als Form von Besessenheit. Ihre Betreuer, ihren Gemeindevorstand werden sie sich aus ihren eigenen Leuten auswählen. Sie würden hier nicht wie im Gruselkabinett angegafft werden, müssten sich nicht mehr verbergen; in dieser Lebensgemeinschaft wäre allen der Umgang mit solchen Anwandlungen oder Ausbrüchen vertraut.
Wohlgemerkt wird eine solche ‹Leprasiedlung› hier nicht als die einzige richtige Lebensform in solchen Fällen angepriesen. (Ich mag den Ausdruck, und ich mag die Vorstellung; Außenstehenden mag das zu hoch sein.) Wie schwierig das Zusammenleben in solchen utopischen kommunistischen Gemeinden auf die Dauer ist, ist aus deren Geschichte bekannt genug. (Moderne Gemeinschaftsprojekte haben daraus gelernt und planen stets individuelle Rückzugsräume und eine Gesinnungsprüfung der Neuzugänge mit ein.)
Mir kommt eine solche freie eigene Siedlung aber erstrebenswert vor. Sie wäre aber keine Landkommune oder Behindertenwerstatt, sondern müsste über kräftige, zukunftsfähige eigene Wirtschaftsbetriebe verfügen, also nicht in der Art von Behindertenwerkstätten oder geschützten Betrieben; sie dürfte nicht nur auf Gemeinwohlarbeit beruhen, sondern müsste echte, tariflich bezahlte Arbeitsplätze schaffen – und dies in Zukunftsbranchen, nicht in angelernten Hilfstätigkeiten.
Sexueller Kindesmissbrauch: Prävalenz
Häuslicher Gewalt, Kindesmisshandlung und sexuellem Kindesmissbrauch muss nicht etwa gesteuert, sie müssen ausgerottet werden, so dass es im unmittelbaren Lebensumfeld keine körperliche Gewalt mehr gibt (von ‹klassischen› Straftaten oder auch einfachen Raufereien abgesehen). Dies wäre eine ‹friedfertige Gesellschaft› – Leitbild zukünftiger Forschungen im Verlag Angelika Gontadse über das gedeihliche Zusammenleben in einer Geselslchaft.
Dabei geht es ausdrücklich nur um Freiheit Schwächerer von Gewalt im unmittelbaren Lebensumfeld. Es geht nicht um Politik oder Gesellschaftspolitik i. e. S. Soziale Gerechtigkeit, Aufhebung der Ausschließung ganzer heute diskriminierter Gruppen oder gar am Ende struktureller Ungleichheiten sind hier ausdrücklich nicht gemeint. Das wären ja gängige Vorstellungen einer friedfertigen Gesellschaft, und sie mögen sich sogar mit dem hier vertretenen Verständnis überschneiden.
Auch wird die Schaffung einer friedfertigen Gesellschaft (in diesem Sinne) nicht als moralische, schon gar nicht als politische Forderung angesehen, sondern als Notwendigkeit der Politischen Ökonomie. Die Metropolen im kapitalistischen Weltsystem können ihren gesellschaftlichen Arbeitskörper nur bei Aufschließung aller Springquellen ihrer gesamten Bevölkerung in Schuss halten. Ein Achtel oder sogar ein Viertel der Bevölkerung durch sexuellen Kindesmissbrauch dauerhaft unbrauchbar zu machen, passt nicht mehr zu diesen Anforderungen. Wäre sie nur moralisch geboten, wäre eine friedfertige Gesellschaft unmöglich zu erreichen.
Besten Schätzungen der EU-Kommission zufolge wird jedes 5. Mädchen und jeder 20. Junge bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres Opfer sexuellen Missbrauchs. Da die Spätfolgen nie überwunden werden, ist ein Achtel der gesamten Bevölkeruntg betroffen. Fachkräfte aus Süddeutschland – einer mutmaßlich sozial stabilen Gegend – schätzen jedoch übereinstimmend, dass sogar jedes 4. Kind betroffen ist. Es wird dann also so gut wie keine Ehen ohne betroffenen Ehepartner geben.
Nun zu glauben, hier müsse dringend Abhilfe geschaffen werden, am besten mit ein paar einschneidenden Maßnahmen, wird der langfristigen und grundlegenden Zerstörung des gesellschafltichen Friedens nicht gerecht. Das letzte sexuell missbrauchte Kind wird am 31.12.2099 geboren werden; erst 2200 werden in Westeuropa nördlich der Alpen keine Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs mehr am Leben sein (von der europäischen Semiperipherie oder Flüchtlingen abgesehen). Wir sprechen hier nicht über einen vorübergehenden Skandal. Es ist ein Massenphänomen für die Ewigkeit.